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Im Interview mit Sheconomy: Kara Pientka und Frauke Bataille über Health Coaching

Inhalte

Das Interview von Kara Pientka und Frauke Bataille, erschienen im Juli 2021 in der Zeitung Sheconomy. Es geht um das von den beiden Inhaberinnen gegründete INHESA-Institut für Health und Selfcare und das große Thema Health Coaching.

Den Originalartikel finden Sie in der Juli-Ausgabe der Sheconomy oder online.

Was ist Health Coaching eigentlich genau?

Frauke Bataille: Jeder Coaching Prozess ist am Individuum und seinen spezifischen Bedürfnissen orientiert. IN von INHESA steht für Individualität. HE für Health und SA für Self Awareness. Menschen werden bzgl. Gesundheit und gesunder Lebensweise mit sehr vielen Informationen konfrontiert, aber an der Umsetzung im Leben eines jeden Einzelnen scheitert es meist. Das beginnt damit, dass wir nicht wissen, was für uns speziell gut oder weniger gut ist und scheitert letztendlich in der konkreten Implementierung dieser ganzen Informationen in unseren Lebensalltag. Und hier erleben wir die Kombination aus Medizin und Coaching mit einen enormen Mehrwert! Durch den ganzheitlichen Blick auf das Leben der Klienten kann der HealthCoach auf vielen Ebenen mit dem Klienten arbeiten und somit die Erarbeitung eines stimmigen Gesamtkonzeptes für den Klienten ermöglichen. Und INHESA bietet hierzu das entsprechende Konzept. Für Unternehmen und Coaching Interessierte.

Wie ist die Idee zu INHESA entstanden?

Kara Pientka: Immer wieder haben Dr. Bataille und ich beobachten müssen, wie viele Menschen sich beruflich und privat in unfreiwilligen Korsetts und Zwängen befinden. Dadurch entsteht Stress und Unglück. Im Zusammenhang mit unserer Profession sind das zwei Dinge, die nicht sein müssen. Es sind Verstrickungen, die man sehr gut über Health Coaching in Hinblick auf Life- und Business-Kontexte wirksam auflösen kann, so dass sich Menschen ein nachhaltig gesundes und glückliches Leben aufbauen können. Sowohl beruflich als auch privat. Menschen mit unserem Ansatz, der Medizin und Coachingelemente kombiniert, zu begleiten und zu erleben, wie sie sich ihre Lebensqualität zurückerobern – das ist einfach nur beglückend.

Führungskräfte werden typischerweise als stark und leistungsfähig angesehen und es passt weniger in unser Bild von Personen in Führungspositionen, dass sie auch gestresst und krank sein können. Merken Sie einen Widerstand von Führungskräften, sich mit dem Thema Gesundheit und mentaler Gesundheit zu beschäftigen?

Kara Pientka: Tatsächlich scheint hier die Corona-Pandemie  eine frische Perspektive mit in die Welt gebracht zu haben. Wir erleben so viel Offenheit für die Themen Health und Selfcare wie noch nie. Wenn Widerstand kommt, dann eher so etwas wie: „Wie soll ich das denn jetzt auch noch in mein Leben integrieren? Dafür habe ich doch wirklich keine Zeit!“. Das ist subjektiv natürlich verständlich. Manche unserer Vorstellungen brauchen jedoch dringend ein radikales Umdenken oder Update. Das zeigt auch die Geschichte “Säge schärfen” von Stephen Covey:

Ein Mann ging im Wald spazieren. Nach einer Weile sah er einen Holzfäller, der hastig und sehr angestrengt dabei war, einen auf dem Boden liegenden Baumstamm zu zerteilen. Er stöhnte und schwitzte und schien viel Mühe mit seiner Arbeit zu haben.

Der Spaziergänger trat etwas näher heran, um zu sehen, warum die Arbeit für den anderen so beschwerlich war. Schnell erkannte er den Grund und sagte zum Holzfäller: „Guten Tag. Ich sehe, dass Sie sich Ihre Arbeit ganz unnötig schwer machen. Ihre Säge ist ja richtig stumpf. Warum schärfen Sie sie denn nicht?“

Der Holzfäller schaute nicht einmal hoch, sondern zischte nur durch die Zähne: „Keine Zeit! Ich muss sägen!“

Manche Ideen sind einfach so verbreitet, dass man den Irrsinn, der darin steckt, nicht mehr sieht. Beispielsweise auch die Idee, dass lebenslange Leistung und Gesundheit und auch mentale Gesundheit vom Himmel fallen. Und dass ich im Umgang mit mir selbst Raubbau betreiben kann ohne Folgen. Natürlich gibt es immer wieder Phasen, in denen man stärker „durchzieht“, aber wenn es keinen Raum für Regeneration und Ausgleich gibt, ist es tatsächlich absehbar, was mittelfristig passiert.

Welche Tipps haben Sie für berufliche Hochleister*innen, um sich psychisch fit zu halten? Was muss man beachten?

Kara Pientka: Nehmen Sie sich und Ihr Wohlbefinden ernst. Machen Sie regelmäßig einen Check, ob Sie beruflich und privat für sich in der richtigen Rolle und im richtigen Umfeld  sind. „Richtig zu sein“ bedeutet, sich auch im Wesentlichen richtig und stimmig mit den eigenen Stärken und Werten zu fühlen. Sollte es hier über längere Zeit zu echtem Unwohlsein kommen, sollte man über eine Veränderung nachdenken.

Überprüfen Sie regelmäßig Ihre eigene mentale Haltung. Man kann leicht in eine „Ohnmachts-Haltung“ reinrutschen, in dem man sich vor allem ausgeliefert und re-aktiv fühlt. Aus dieser Haltung lassen sich sehr schlecht konstruktive Perspektiven einnehmen. Daher – Fassen Sie den Mut zu einer Realitäts-Überprüfung  aus einer geerdeten undramatischen Perspektive.

Nehmen Sie sich Momente des Wahrnehmens für die eigenen Bedürfnisse – für Sensorship. Ein Wahrnehmen der Bedürfnisse – auf körperlicher und psychischer Ebene. Stress macht diesen Wahrnehmungskanal „zu“- Von daher ist es wirklich wichtig, hier ab und zu hinzuspüren und rechtzeitig Konsequenzen zu ziehen.

Wie schafft man es als vielbeschäftigte Person genügend Zeit für Sport, gesunde Ernährung und Gesundheitsthemen zu finden – ohne sich davon stressen zu lassen?

Kara Pientka: Ich würde die Frage mal provokant umdrehen wollen: Wie lange glauben Sie, dass ein Auto fährt, ohne zu tanken? Bei aller Empathie für diese Wahrnehmung des Zeitmangels – es hat tatsächlich etwas damit zu tun, welchen Wert ich den Regenerationsthemen gebe. Alles spricht dafür, dass wir leistungsfähiger sind, wenn wir ausgeglichen arbeiten und leben, uns auch sportlich betätigen, uns möglichst gesund ernähren und soziale Beziehungen pflegen. Ich plädiere – und hier ist aber auch sehr viel kulturelle Arbeit zu leisten – sich selbst als lebendiges kreatives Wesen zu erkennen, dass eben auch „Kraftstoff“ braucht. Jede Einzelperson möchte ich motivieren, diese Themen mutig für sich sehr selbstverantwortlich zu lösen – im Rahmen des Möglichen. Denn meine Erfahrung ist auch: wenn ein Mitarbeiter ausfällt wegen Burn-Out, kann er plötzlich auch „ersetzt“ werden für Wochen, manchmal Monate.

Wie aufwändig ist eine Umstellung zu einem gesunden Lebensstil?

Frauke Bataille: Die Empfehlung ist, nicht radikal zu werden, sondern immer da zu starten, wo man gerade steht. Darum ja eben auch Coaching. Und hier werden die Schritte erarbeitet, die möglich sind.

Des Weiteren ist immer zu schauen, was zu mir selbst passt. Es ist ganz wichtig einen gesunden Lebensstil zu finden, der zu einem selber passt. Neben ein paar Basics gibt es nicht den einen einzigen gesunden Lebensstil, der beispielsweise nur mit diesen 10 Elementen erreicht werden kann. Gesunder Lebensstil darf sehr individuell sein. Natürlich gibt es einige Grundregeln, aber welche Art von Bewegung ich z.B. in mein Leben integriere, dass darf sich richtig gut für mich anfühlen. Genauso, wo ich lebe, in welchem Umfeld, mit welchen und mit wie vielen Freunden. Und diese Individualität bezieht sich auf alle Faktoren, die auf ein gesundes erfülltes Leben einzahlen. Die Herausforderung liegt eher darin eine Sensibilität dafür zu entwickeln, was wirklich stimmig mit mir ist, losgelöst von äußeren Erwartungen oder extern übernommenen inneren Überzeugungen.

Was halten Sie von der Abgrenzung Beruf – Privatleben? Ist das für einen gesunden Lebensstil Voraussetzung oder erzeugt dies etwa zusätzlichen Stress?

Frauke Bataille: Ich glaube der Fokus sollte nicht auf der Abgrenzung von Berufs- und Privatleben liegen, sondern auf der Abgrenzung zwischen Zeiten, in denen ich für andere erreichbar und abrufbar bin, und meinen ganz separaten Zeiten, in denen ich wieder Kraft und innere Stärke sowie Fokussierung finde. Ich glaube die Gefahr liegt darin, dass wir den Bezug zu uns selbst, zu unseren Bedürfnissen, zu unseren Erholungspausen und auch zu unserem Körper verlieren. Da ist es egal, ob wir von unserem Berufsleben oder privaten Leben gefordert werden. Wichtig ist ein Gespür dafür zu entwickeln, wann wir eine Auszeit brauchen und in uns hinein zu hören. Bin ich müde? Zwickt etwas? Habe ich Hunger oder Durst? Diese Unterbrechungen, Momente des Inne Haltens sind ganz wichtig, um chronischen Stress und Stressreaktionen zu unterbrechen und eine Sensibilität zu ermöglichen, einen Sensorship zu uns selbst zu etablieren.

Frauen brennen eher aus als Männer. Menschen mittleren Alters sind von Burn-Outs betroffen, junge Menschen nicht. Was ist an diesen Mythen dran?

Frauke Bataille: Hier werden meiner Meinung nach zwei wichtige Aspekte angesprochen. In Bezug auf Frauen der oft vorliegende Aspekt der Doppelbelastung durch Familie und Beruf. Durch diese vielseitige Beanspruchung ist es nicht leicht seine eigenen Bedürfnisse zu spüren, ihnen Raum und Wertstellung zu geben und bestenfalls auch etwas für sie zu tun. Vielmehr werden hier oft die eigenen Bedürfnisse hinter den Ansprüchen des Umfeldes gestellt und finden letztendlich dann kein Gehör mehr – es droht ein “ausbrennen”.

Der zweite Aspekt – angesprochen durch den Vergleich von jungen Menschen und Menschen mittleren Alters – streift das Thema Motivation. Junge Menschen sind oft enthusiastisch, interessiert, brennen für ihr Weiterkommen, ihre Entwicklung. Menschen im mittleren Alter sind hier oft bereits ein Stück “desillusioniert”. Der Enthusiasmus und die Motivation für die eigene Entwicklung weichen der Erkenntnis der Einschränkung durch äußere Grenzen, Fremdbestimmung, Begrenzung der Eigenentwicklung. Auch der innere Konflikt zwischen einerseits dem Bedürfnis nach Autonomie und Freiheit, andererseits der Konfrontation mit Erwartungen seitens des Umfeldes (sowohl im privaten als auch beruflichen Kontext) führt zu inneren Konflikten, und folglich chronischem Stress. Dies raubt Energie und läßt die Betroffenen nicht selten ein Burn-Out entwickeln. Dies gleicht einem fatalen „Schutzraum“, um sich mit dem inneren Konflikt nicht weiter auseinandersetzen zu müssen, für den sie zur Zeit keine Lösung haben. Dieser Schutzraum fühlt sich natürlich von Innen an wie eine Art Gummizelle. Und hier braucht es dann professionelle und sensible Unterstützung durch Therapeuten und Ärzte.

Der Begriff Health Literacy ist derzeit in aller Munde. Die WHO sagt, Health Literacy ist ein entscheidender Punkt, um die SDGs der UN bis 2030 zu erreichen. Wie steht es um die Health Literacy in Deutschland und wie kann man sie verbessern?

Die Fähigkeiten und Fertigkeiten, Gesundheitsinformationen zu finden, zu verstehen, zu bewerten und für gesundheitsbezogene Entscheidungen anzuwenden, werden als „Health Literacy“ bezeichnet, das im deutschen mit „Gesundheitskompetenz“ übersetzt wird. Was genau alles darunter fällt, ist aber noch in heftiger Diskussion. Eine zukünftige Strategie – so vielfältige Hinweise aller bisherigen Studien – hätte die verschiedenen gesellschaftlichen Ebenen einzubinden, um die Health Literacy von Einzelnen und Organisationen zu stärken.

Dem Thema „Gesundheitskompetenz“ wird international schon seit längerem hohe Aufmerksamkeit geschenkt und in Deutschland findet dieses umfassende Konzept von Health Literacy in der Krankenversorgung sowie der Prävention und Gesundheitsförderung zunehmend Beachtung. Jedoch steht man hier noch vor einer sehr langen und komplexen Unternehmung. Aber eine, die sich bestimmt lohnt, nicht zuletzt wenn wir die demografische Entwicklung anschauen, wo wir immer älter werden, von unserer längeren Lebenszeit aber auch immer länger krank sind.